Leben in Gott

Selten denken wir daran, in welcher Finsternis unsere Mitmenschen leben, wenn sie Gott und Seine Kirche nicht kennen, oder umgekehrt gesagt: wie sehr wir Gott danken sollten dafür, dass wir als Glieder Christi und der Kirche des Neuen Bundes, der von Ihm gegründeten katholischen Kirche, im Licht der Gnade Gottes leben dürfen, und so ein neues, erfülltes und erleuchtetes Leben führen dürfen, indem wir in der Taufe und im Heiligen Geist als Kinder Gottes neu geboren worden sind!
Oft nehmen wir die Gnade dieses neuen und übernatürlichen Lebens in der Liebe Gottes wie eine Selbstverständlichkeit, wir denken wenig darüber nach, ja sind oft sogar noch mürrisch oder unzufrieden, wenn der liebe Gott von uns ein wenig Gegenliebe oder die Weitergabe dieser Liebe erbittet, weil das ja oft auch ein wenig Selbstüberwindung, ein wenig Selbsthingabe, ein bestimmtes Opfer von uns verlangt!
Und so verlieren wir schnell auch das Ziel und den eigentlichen Sinn unseres Lebens aus den Augen! Wir fallen dann leicht in Fehler und Sünden oder kehren gar dem Glauben oder der Liebe Gottes den Rücken.
Es ist eine große Hilfe, wenn die Kirche uns im Lauf des Kirchenjahres immer wieder neu die entscheidenden Wahrheiten unserer Erlösung und unserer Berufung vor Augen stellt. Advent und Weihnachten erinnern uns an das Kommen des Erlösers als Licht in unsere Welt der Finsternis der Sünde, Ostern an das Leben der Auferstehung, zu dem uns Christus durch Seinen Tod am Kreuz den Weg eröffnet hat und zu dem Er uns im Heiligen Geist beruft, Pfingsten und die Zeit danach an das Kommen und das Wirken des Heiligen Geistes als Trost und Kraft in allen Mühen und Kämpfen in der Nachfolge Christi während unseres ganzen Lebens, und dann, wenn im Herbst die Zeit der Ernte gekommen ist und die Früchte aller Mühen hier auf Erden gesammelt werden, führt uns die Kirche schließlich die letzten Dinge vor Augen, denen wir auf unserem Lebensweg und jeden Augenblick entgegengehen: den Tag des Todes und des Gerichtes über unser Leben, der zu einem Tag der Scheidung von Gut und Böse wird, an dem wir hoffen, nicht den ewigen Tod zu erleiden, sondern der Zahl der Heiligen beigezählt oder wenigstens in die Schar der Büßer im Fegfeuer eingereiht zu werden, um so schließlich, von den Makeln der Sünde gereinigt, durch die Gnade Christi die vollkommene Schönheit der Heiligkeit wieder zu erlangen, für die Gott den Menschen ursprünglich erschaffen hat!
Das Fest Allerheiligen ist ein Fest der Freude und des Triumphes, in dem wir schon einen Blick in den Himmel werfen auf den Chor der Heiligen, die vor dem Thron Gottes stehen und Ihm Lob und Dank darbringen! Aber auch das Fest Allerseelen ist trotz der Schmerzen der Armen Seelen, deren wir gedenken, und der schwarzen liturgischen Farbe, die uns an das Sterben unseres Leibes erinnert, zugleich ein Tag der Dankbarkeit für die Gnaden, welche auch diesen Seelen schon geschenkt wurden, natürlich aber auch ein besonderer Tag des Gebetes für sie, die dort noch auf ihre endgültige Erlösung warten.
Und so ruft Gott uns durch Seine heilige Kirche und durch alle Seine Heiligen jeden Tag neu, den Blick zu Ihm zu erheben und von Ihm, der uns ins Dasein gerufen hat, die Hilfe für das wahre und vollkommene Leben, wie Er es von uns will, zu erflehen und zu erlangen. Die Kirche stellt uns zu diesem Zweck jeden Tag auch die Tagesheiligen vor Augen.
Die Heiligen sind uns aber nicht nur als Vorbilder, sondern auch als Fürsprecher und Helfer hier auf Erden gegeben. Sie helfen uns, den Blick auf das Ziel des Lebens und auf unsere endgültige Berufung als Kinder Gottes nicht aus den Augen zu verlieren, und erflehen uns auch die notwendigen Gnaden, damit auch wir dieses Ziel erreichen, an dem sie schon angelangt sind.
Sie sind aber auch unsere Lehrer. Nicht im Sinne weltlicher Gelehrsamkeit, sondern im Sinn der Erleuchtung durch den Heiligen Geist, nach der auch wir streben und um die auch wir immer beten sollen.
Insofern ist es wertvoll, ihr Leben und ihr Handeln immer wieder zu betrachten. Einer dieser Heiligen, der viel gelehrt hat, ohne dass er dabei jemals „große Worte“ von sich gab, war der heilige Pfarrer von Ars, Johannes Maria Vianney (1788 – 1859). Auf ganz einfache und schlichte Weise hat er unermüdlich den Menschen, für die er als Priester wirkte, die christliche Weisheit der Gottes- und Menschenliebe nahegebracht und ihnen so die Schätze, die uns in der christlichen Offenbarung geschenkt wurden, erschlossen.
So hat er seine Pfarrkinder und später auch viele Fremde, die zu seinen Predigten strömten, aus der Gottesferne, in der die meisten Menschen auch zu seiner Zeit lebten, wieder zu einem guten und heiligen Leben geführt, indem er immer wieder auf die wesentliche Berufung hinwies, die wir mit unserem Sein und besonders als Christen erhalten haben und die wir immer wieder neu bedenken sollen.
Darum wollen wir einige Gedanken des heiligen Pfarrers auch hier wiedergeben, die zur rechten Sicht auf die Wirklichkeit und auf unser Leben wichtig sind und die uns auch hilfreich sein mögen, unser ewiges Ziel mit der Gnade Gottes sicher zu erreichen (unter Berücksichtigung der neuen Rechtschreibung zitiert nach: Frossard, Janine, Ausgewählte Gedanken des heiligen Pfarrers von Ars, 6. Aufl., Leutesdorf 1992):
„Wie herrlich ist es, Gott zu erkennen, zu lieben und Ihm zu dienen! Nur dieses brauchen wir hier zu tun… Wenn wir erwachen, sollen wir sprechen: ‚Ich will heute für Dich, mein Gott, arbeiten! Ich werde alles, was Du mir schicken wirst, annehmen als etwas, das von Dir kommt. Ich bringe mich Dir zum Opfer dar. Doch vermag ich nichts ohne Dich, mein Gott; hilf mir deshalb!‘“ (S. 16).
„Die Welt, ihre Reichtümer, Vergnügungen und Ehren werden vergehen; Himmel und Hölle werden niemals vergehen. Seid deshalb wachsam!
Nicht alle Heiligen haben ihr Leben gut begonnen, aber sie haben alle gut geendet. Wir haben schlecht angefangen, lasst uns gut enden, und wir werden eines Tages im Himmel mit ihnen beisammen sein“ (S. 17).
„…es ist nichts leichter als das: Die Gebote Gottes und der Kirche beachten und die sieben Hauptsünden vermeiden, oder anders gesagt, das Gute tun und das Böse meiden. Einen anderen Weg gibt es nicht.
Die guten Christen, die sich mühen, ihre Seele zu retten, sind immer glücklich und zufrieden. Sie genießen schon im Voraus die Seligkeit des Himmels. Sie werden für ewig glücklich sein, während die schlechten Christen, die sich selbst verdammen, immer zu bedauern sind; sie murren, sie sind traurig und werden es die ganze Ewigkeit sein… Seht die Machthaber und Großen dieser Welt, sie sind sehr reich, sind sie aber zufrieden? Wenn sie Gott lieben, ja. Aber sonst nicht… Die ganze Erde kann eine unsterbliche Seele ebenso wenig zufriedenstellen, wie eine Fingerspitze Mehl einen Hungrigen sättigen kann“ (S. 18).
„Die Erde vergeht, und wir vergehen mit ihr… Nur eines zählt: seine Seele retten.
Die Heiligen hingen nicht an den irdischen Gütern. Sie sorgten sich um die himmlischen“ (S. 19).
„Wir sind in dieser Welt, aber nicht von dieser Welt; deshalb sagen wir jeden Tag: ‚Vater unser im Himmel.‘ Wir dürfen also unseren Lohn erst erwarten, wenn wir daheim im Vaterhaus sind“ (S.20).
„Wir sind in dieser Welt wie in einem Nebel, aber der Glaube ist der Wind, der den Nebel zerstreut und über unserer Seele eine herrliche Sonne leuchten lässt… Seht, wie düster und kalt es bei den Ungläubigen ist! … Bei uns ist alles heiter, voll Freude und Trost.
Wenn man keinen Glauben hat, ist man blind. Wer nicht sieht, erkennt nicht. Wer nicht erkennt, liebt nicht. Wer Gott nicht liebt, liebt sich selbst und zugleich seine Lust. Er hängt sein Herz an Dinge, die wie Rauch vergehen…
Wenn wir sagen: ‚Mein Gott, ich glaube‘… O wenn wir doch von diesen Worten durchdrungen wären… Mein Gott, ich liebe Dich, ich habe ein Herz, um Dich zu lieben! …‘ Oh wie würde dieser Glaubensakt, der ja auch ein Liebesakt ist, völlig genügen…“ (S. 21f.).
„Der liebe Gott will uns glücklich machen, wir aber … wenden uns von Ihm ab und übergeben uns dem Teufel. Wir fliehen vor unserem Freund und suchen unseren Henker! … Was hat uns nur der liebe Gott getan, dass wir Ihn so beleidigen und Ihn im gewissen Sinn noch einmal sterben lassen, Ihn, der uns von der Hölle erlöst hat?“ (S. 25).
„Seht, meine Kinder, außer Gott gibt es nichts Festes und Beständiges, nichts, gar nichts. Sei es das Leben, das vergeht, sei es das Glück, das zerbröckelt, sei es die Gesundheit, die zerstört wird, oder der gute Ruf, der gehässigen Angriffen ausgesetzt ist … Alles vergeht in großer Eile! … Wie sind darum diejenigen zu bedauern, die ihr Herz an diese Dinge hängen … sie lieben sich nicht mit einer vernünftigen Liebe. Sie lieben sich mit einer weltlich orientierten Selbstliebe, indem sie sich und die geschaffenen Dinge mehr suchen als Gott. Deshalb sind sie niemals zufrieden, niemals ruhig… immer gequält und verstört“ (S. 27).
„Es ist die Sünde, die uns den Tod fürchten lässt“ (S. 28).
„Wir schieben unsere Bekehrung bis zum Sterben auf; aber wer garantiert uns, dass wir dazu die nötige Zeit und Kraft haben werden in diesem schrecklichen Augenblick, vor dem alle Heiligen Angst hatten und in dem sich die Hölle zum letzten Angriff gegen uns vereinigt, da sie weiß, dass dies der entscheidende Augenblick ist“ (S. 29).
„Wenn ein Verdammter ein einziges Mal nur sagen könnte: ‚Mein Gott, ich liebe Dich!‘, gäbe es für ihn keine Hölle mehr. Doch welch ein Leid! Diese ärmste Seele! Sie hat die Fähigkeit zu lieben verloren, die sie erhalten hatte und nicht zu gebrauchen wusste“ (S. 30).
„Nicht Gott verdammt uns, sondern wir verdammen uns durch unsere Sünden. Die Verdammten klagen nicht Gott an, sondern sich selbst. Sie sagen: ‚Ich habe durch eigenen Schuld Gott, meine Seele und den Himmel verloren‘“ (S. 31).
„Wie der gute Soldat vor dem Kampf keine Furcht kennt, so darf auch der gute Christ sich vor Versuchungen nicht fürchten… Dies ist nämlich Erntezeit für die Seele, wo sie Schätze für den Himmel sammelt. Wie zur Ernte steht man in aller Frühe auf und müht sich hart ab. Doch klagt und stöhnt man dabei nicht, denn man sammelt ja reichlich Vorrat in seine Scheune“ (S. 32).
„Die Demut ist die große Hilfe zur Gottesliebe, der Stolz das große Hindernis zur Heiligkeit. Er ist das Bindeglied in der Kette der Laster, die Demut das gemeinsame Band aller Tugenden.
Die Heiligen erkannten sich selbst besser, … denn sie waren demütig“ (S. 34).
„Die Heiligen waren ihrem Ich so abgestorben, dass es sie wenig bekümmerte, ob man ihrer Meinung war oder nicht“ (S. 35).
„Der liebe Gott wird denen verzeihen, die verziehen haben… Denn die Pforte des Himmels bleibt für den Hass verschlossen… Für die guten und demütigen Herzen, die Unrecht und Schmähungen mit Freude oder Gleichmut ertragen, beginnt der Himmel schon auf dieser Welt; wer aber seinen Groll bewahrt, ist unglücklich...
Das beste Mittel, den Teufel abzuwehren, wenn er uns gehässige Gedanken gegen die einflößt, die uns Böses tun, ist das sofortige Gebet für sie. So wird es gelingen, das Böse durch das Gute zu besiegen, und das tun die Heiligen“ (S. 38).
„Wir werden unseren Widersacher überall finden, und überall wird er versuchen, uns den Himmel zu entreißen… Wenn wir wollen, können wir mit der Gnade Gottes, die uns nie verweigert wird, immer triumphieren… Denn der Herr ist da, dicht neben uns“ (S. 39).
„Wenn der letzte Tag kommen wird, werdet ihr sagen: ‚Glückliche Kämpfe, die mir den Himmel verdient haben!‘ … Wenn wir gleich tapferen Soldaten stets voranmarschieren, werden wir, wenn die Versuchungen und Kämpfe kommen, zu Gott unser Herz erheben und neuen Mut fassen… Einen Mittelweg gibt es nicht… Alle, die den Himmel eines Tages besitzen, werden Heilige sein.
Der Teufel will uns bis zum letzten Augenblick durch seine Unterhaltungen fesseln… “ (S. 40).
„Die reine Seele hängt nicht am Materiellen, an irdischen Dingen und an ihrem Ich … Hat man seine Unschuld bewahrt, so fühlt man sich von der Liebe Gottes emporgetragen wie der Adler auf seinen Schwingen“ (S. 41).
„Die Reinheit ist ein Geschenk des Himmels. Man muss sie von Gott erbitten … Wir müssen unser Herz dem Stolz, der Sinnlichkeit und allen anderen Leidenschaften verschließen … Was für eine Freude ist es für den Schutzengel, der beauftragt ist, eine reine Seele zu führen!
Meine Kinder, wenn eine Seele rein ist, schaut der ganze Himmel mit Liebe auf sie…
Meine Kinder, wir können den Einfluss, den eine reine Seele auf den lieben Gott hat, nicht begreifen: sie erhält alles, was sie will…
Um die Reinheit zu bewahren, gibt es drei Dinge: die Gegenwart Gottes, das Gebet und die Sakramente“ (S. 42).

(Fortsetzung folgt)

Thomas Ehrenberger

 

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